Warum Geräuschsensibilität und Trennungstress zusammenhängen
Hunde erleben Geräusche nicht isoliert. Ein Knall, ein Poltern im Treppenhaus oder eine zufallende Autotür können für den Hund ein massiver Stressor sein, besonders dann, wenn er alleine ist und keine vertraute Bezugsperson zur Co-Regulation zur Verfügung steht.
Viele geräuschsensible Hunde haben:
- ein sehr feines Gehör
- Schwierigkeiten, Reize auszublenden
- ein hohes Grundstresslevel
- wenig eigene Strategien zur Regulation
Fehlen diese Strategien, kann ein einzelnes Geräusch ausreichen, um den Hund aus einer scheinbaren Entspannung in starke Erregung oder Angst zu bringen, ohne dass er wieder selbstständig zurückfindet.
Säule 1: Management - die Grundlage für jedes Training
Management ist kein „Trick“, sondern die Basis dafür, dass Training überhaupt möglich wird. Besonders bei geräuschsensiblen Hunden entscheidet gutes Management oft darüber, ob Fortschritte stabil bleiben oder immer wieder zusammenbrechen.
Räume gezielt geräuschfest machen
Viele geräuschsensible Hunde profitieren davon:
- Geräusche abzuschwächen
- Distanz zur Geräuschquelle zu schaffen
- Eskalationsorte wie die Wohnungstür zu entschärfen
Oft reicht schon eine zusätzliche Tür zwischen Hund und Eingang, um die Intensität von Hausflurgeräuschen deutlich zu reduzieren.
Rückzugsorte bewusst zulassen
Hunde suchen sich häufig selbst Orte, an denen sie sich sicherer fühlen:
- unter dem Bett
- im Bad
- unter dem Schreibtisch
- in einer offenen Box
Auch wenn es für uns „traurig“ aussieht: Wenn der Hund diesen Ort wählt, ist das eine Regulationsstrategie. Diese Orte dürfen und sollten unterstützt werden, zum Beispiel mit Decken, Körbchen oder gedämpftem Licht.
Geräuschmaskierung sinnvoll nutzen
White Noise, Musik oder andere gleichmäßige Geräusche können helfen, plötzliche Reize abzumildern. Besonders wirksam wird Geräuschmaskierung, wenn sie mit Entspannung verknüpft ist, etwa als konditionierte Entspannung.
Säule 2: Regulationsstrategien - was dein Hund zwischen Stress und Entspannung braucht
Das Herzstück im Trennungstraining mit geräuschsensiblen Hunden sind Regulationsstrategien. Viele Hunde kennen nur zwei Zustände:
- scheinbare Ruhe
- völlige Übererregung
Was fehlt, sind Übergangsverhalten, die dem Hund helfen, nach einem Reiz wieder herunterzufahren.
Was Regulationsverhalten sein kann
Regulationsstrategien sind individuell. Häufige Beispiele sind:
- Spielzeug holen und tragen
- Kauen oder Zerstören von geeignetem Material
- Schnüffeln oder Futtersuche
- Bewegung (z. B. durch die Wohnung laufen)
- Aufsuchen eines bestimmten Ortes
Auch Verhalten, das oft als „frech“ oder „unerwünscht“ gilt, kann hochfunktional sein. Wichtig ist nicht, wie ordentlich es aussieht, sondern ob es dem Hund hilft, sich zu regulieren.
Selbstwirksamkeit statt Stillhalten
Ein Hund, der lernt, aktiv etwas zu tun, statt hilflos auszuhalten, erlebt Selbstwirksamkeit. Genau diese Selbstwirksamkeit ist einer der wichtigsten Faktoren in der Angstbewältigung.
Besonders hilfreich:
- Gegenstände strategisch platzieren (z. B. Spielzeugkisten an der Wohnungstür)
- Verhalten im Alltag bewusst zulassen und aufwerten
- Regulationsverhalten außerhalb der Trennungszeiten gezielt üben
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Besondere Herausforderung: Generalisierte Geräuschangst
Bei generalisierter Geräuschangst reagiert der Hund nicht nur auf einzelne Auslöser wie Knall oder Donner, sondern auf nahezu jedes Geräusch. In diesen Fällen ist Management allein oft nicht ausreichend.
Hier ist die Zusammenarbeit mit einer verhaltenstierärztlichen Praxis sehr empfehlenswert. Medikamentöse Unterstützung bedeutet nicht „Ruhigstellen“, sondern kann:
- Angst senken
- Lernfähigkeit verbessern
- Selbstregulation ermöglichen
Training und Medikation schließen sich nicht aus – sie ergänzen sich.
Silvester und Trennungstraining - was wirklich wichtig ist
Rund um Silvester gilt:
Es ist kein Fehler, das Trennungstraining vorübergehend zu pausieren.
Für viele Hunde ist es sogar entlastend, in dieser Zeit:
- keine neuen Steigerungen zu erwarten
- möglichst wenig alleine bleiben zu müssen
- emotional begleitet zu werden
Nach Silvester können viele Hunde ohne große Rückschritte wieder ins Training einsteigen, vorausgesetzt, das Ereignis war nicht extrem traumatisch.
Fazit
Trennungstraining bei geräuschsensiblen Hunden erfordert mehr als nur Zeitaufbau. Entscheidend sind:
- gutes Management
- individuell passende Regulationsstrategien
- ein flexibler Umgang mit Steigerungen
Je besser dein Hund lernt, sich selbst zu regulieren, desto stabiler wird auch sein Alleinbleiben, selbst dann, wenn draußen nicht alles ruhig ist.
Wenn du merkst, dass Geräusche für deinen Hund ein zentrales Thema sind, lohnt es sich, genau hier anzusetzen. Nicht mit Druck, sondern mit Struktur, Verständnis und einem klaren Plan.
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Du bist Hundetrainer:in
Wir starten gerade ein Projekt für Trainer:innen, die das Thema Trennungsstress in ihrem Trainingsalltag nebenbei mit bearbeiten müssen oder wollen, aber nicht die Kapazitäten haben, dafür die nötigen Weiterbildungen zu machen. Wir zeigen Trainer:innen im deutschsprachigen Raum, wie sie trotzdem gute Basics an ihre Teams weitergeben können, um Trennungsstress zu erkennen und die ersten Trainingsschritte erfolgreich umzusetzen.
Du bist Hundehalter:in
Wir unterstützen Hundehalter:innen, die mit ihren Hunden das Alleinebleiben trainieren (möchten) bei der Planung und Umsetzung des Trainings in individueller 1:1 Betreuung. Außerdem stecken wir mitten in der Vorbereitung für unseren Onlinekurs zum Thema Trennungstraining.


